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Ev. Martinskirche Södel

Södel liegt in einem Talzug. In diesem Talzug verlief seit Jahrtausenden ein Bach oder kleiner Wasserlauf, der im 19. Jahrhundert verrohrt wurde.

In solchen Talsenken siedelten sich die Franken des Merowingerreiches spätestens im 6. Jahrhundert in der Wetterau an.

Nach archäologischen Untersuchungen scheint Södel zu den merowingerzeitlichen Siedlungen der Wetterau zu gehören. Aus verschiedenen Gründen liegt nahe, diese erste Siedlungsstätte in der unmittelbaren Nähe der heutigen Kirche zu suchen. Diese einzelnen Höfe werden im 7. Jahrhundert zu kleinen Weilern. Wahrscheinlich zeitgleich entstehen die ersten Ortskirchen. Hier werden dann die Bestattungen vorgenommen.

Damit erscheint für Södel folgende Entstehung als sehr wahrscheinlich. Im Bereich des heutigen Herrengartens floss ein kleiner Bach, nennen wir ihn den ursprünglichen Biedrichgraben. Unmittelbar daran siedelt eine freie fränkische Familie. Ihren freien Hof bauen sie im Bereich des Pfarrhofes und der alten Schule. Dieser Name bleibt für dies Einheit bis ins 19. Jahrhundert erhalten. Bis in die Zeit um 700/800 entstehen mehrere Höfe entlang des Biedrichgrabens in westlicher Richtung, der heutigen Hintergasse.

In diese Zeit fällt auch der Bau der ersten Kirche, deren Name bereits auf ein hohes Alter schließen lässt. Diese erste Kirche ist, und das belegen geologische Untersuchungen aus dem Jahr 2001, auf einer Insel oder Landzunge an dem Wasserlauf, der hier einen Weiher bildet, auf Löss gebaut worden. Durch Senkungen im Horlofftal, sogenannten tektonischen Senkungen, kommt es dazu, dass organische Stoffe angeschwemmt werden. Das östliche Land vor der Kirche wird erhöht durch die angeschwemmten Materialien. Das Grundwasser um die Urkirche auf der trockenen Lehmfläche steigt deutlich an, so dass sich hier ein Weiher bildet. Dieser verlandet, d.h. es bildet sich eine Schicht aus Schlick (Schluff). Dann wird der verlandete Weiher aufgeschüttet und dies bis zu einer Höhe von 1,50 m. So entsteht also die heutige Situation im Laufe der letzten 1200 bis 1400 Jahre, dass im Bereich um die Kirche Grundwasser ab 1,70 m anzutreffen ist.

Ein Hinweis auf das hohe Alter der Södeler Kirche bildet auch das Martinspatrozinium. Patrozinium bedeutet, die Kirche wurde einem Schutzheiligen geweiht. Aufgrund der Namensgebung, für Södel ist es der Heilige Martin von Tours (316/317-397), kann man auf das Alter schließen. Solche Martinskirchen sind um das Jahr 800 entstanden.

Die Bildung der Pfarrei Södel könne wir erst aus Urkunden des 12. Jahrhunderts erschließen, dort wird die Södeler Kirche bereits als reparaturbedürftig bezeichnet, denn am 27. September 1142 trifft Erzbischof Heinrich von Mainz mit dem Kl. Ilbenstadt eine Vereinbarung, dass die Reparatur der St. Martinskirche zu Sodela aus den Zehnten zu Waluersheim bestritten wird. Zugleich regelt der Erzbischof das Verhältnis zwischen Kl. Ilbenstadt und dem Södler Erzpriester.

Alte Mainzer Besitzverhältnisse lassen sich anhand der Urkunde rekonstruieren, dazu gehört, dass man den Zehnten aus dem Dorf Wölfersheim dem Kloster Ilbenstadt überließ, davon musste nun das Kloster drei Teile des Daches der Martinskirche reparieren und den Fußboden. Hier jedoch übernimmt der Erzbischof die Kosten für den Fußboden, während den Mönchen aus Ilbenstadt die gesamten Kosten für die Dachreparatur zufallen. Zudem haben die Mönche, wenn das Missale (Messbuch) nicht mehr brauchbar ist, ein neues zu stellen. Der Mainzer Lehnsmann, der den Wölfersheimer Zehnten im Tausch an das Kloster abtreten musste, hieß Embricho.

Die Södeler Kirche war im gemeinsamen Besitz der Ilbenstädter Mönche und Nonnen.

Der Archipresbyter (Erzpriester) des Landkapitels Wetterau hielt die Synoden in der Martinskirche zu Södel, ihm standen zwei Kleriker und zwei Diener zur Verfügung.

Im Landkapitel der Wetterau sind nach dem Ende der Stauferzeit (1250) ca. 90 Orte zusammengeschlossen, an seiner Spitze stand der Erzpriester. Auf den in Södel jährlich stattfindenden Versammlungen wurden kirchenrechtliche Probleme behandelt.

„Die Diözese Mainz zerfiel im Mittelalter in größere Verwaltungssprengel, Archidiakonate.“ Unsere Gegend gehörte zu dem Sprengel von St. Mariengreden, der seinerseits wieder von vielen kleinen Sprengeln durchzogen war. Diesen kleineren Sprengeln stand ein sogenannter „Archipresbyter“, Erzpriester, vor.

Ein wesentliches Kontrollorgan der Kirche war dieses Sendgericht, welches vom Archidiakon des Stiftes Mariagreden oder dessen Beamten, dem Offizial, abgehalten wurde. Die Sendgerichte fanden möglichst jährlich in den alten Pfarreimittelpunkten statt. Das Sendgericht erstreckte sich zuerst über den Pfarrer, dann über die gesamte Gemeinde. Das Sendgericht wurde seit 1315 dann in Friedberg gehalten.

Beide Klöster Ilbenstadt, das der Mönche und das der Nonnen, erhielten an Maria Himmelfahrt (15. August) und an Maria Verkündigung eine besondere Mahlzeit aus dem anfallenden Zehnten. Zugleich wird geregelt, dass das Kloster einen Priester, den es zu Södel einsetzt, auch selbst zu zahlen hat.

Das Recht, den Pfarrer zu Södel einzusetzen, verliert das Kloster erst im 17. Jahrhundert nach teilweise militanten Auseinandersetzungen mit den Gemeinden Södel und Wölfersheim. Bis 1611 bleibt die Martinskirche Pfarrkirche für Södel und Wölfersheim, letzterer Ort löst sich dann von der Södeler Mutterkirche.

Die Baugeschichte

Die evangelische Martinskirche wurde mehrfach umgebaut. Bereits 1149 wird die Martinskirche zu Södel als baufällig erwähnt. Ein Altar aus der katholischen Zeit war der Jungfrau Maria geweiht.

Der gerade Chorabschluss des einschiffigen Baues, der im Übrigen sehr schlicht gehalten ist, verweist auf das 13. Jahrhundert, das frühgotische Oberfenster besitzt Plattmaßwerk wie auch der Turm der Münzenberger Kirche. Erhalten sind einige wenige Reste eines gotischen Baues, etwa in der Ostmauer mit dem Fenster mit drei Bogen einen Vierpasses, auch im Rundbogenfenster kann man noch Spuren des ausgebrochenen Mauerwerkes erkennen. An den beiden Längsaußenseiten befinden sich noch gotische Nischen. Nach dem Putzabschlagen wurden im April 1999 unterhalb des zweiten südlichen Fensters Basaltgewände entdeckt, die die Existenz einer Tür vermuten lassen.

Das Kirchenschiff erhielt entgegen der bisherigen Literatur seine eigentliche Gestalt in den Jahren 1617/18 und nicht 1824. Das dendrochronologische Gutachten vom Februar 1999 zeigt, dass unmittelbar nach der Erbauung des Westturms auch die Erweiterung des Kirchenschiffs erfolgte. Diese Baumaßnahmen scheinen 1623 mit dem Bau des Westgiebels abgeschlossen.

In dieser Zeit fällt die Ausmalung der Kirchendecke, die an der Südseite noch fragmentarisch erhalten war. Erkennbar ist in diesem Bereich eine spiegelbildgleiche Ausmalung mit Pflanzenornamenten: Rankenmotiv mit Trauben und Tulpen.

Die Decke zwischen Südseite und rechtem Längsunterzug ist analog der Nordseite umfasst. Die Längsunterzüge sind wie die Decke 1617 eingebaut. An der Nordseite Befund von Fensterbegleitung, ca. 10 cm stark, innen und außen. Auch an der Wand wurde ein Befund mit Malerei analog zur Decke gefunden. Im Chorbereich finden sich zwei vermutlich runde Medaillons, mit Achse verbunden.

Der Umbau veränderte zu einem beträchtlichen Teil die alte Bausubstanz, da man auch das schmale gotische Schiff umbaute, indem man es erweiterte. Die Baumaßnahmen an der Kirche korrespondieren mit dem seit 1607 Erweiterung des Södeler Schlosses und dem Ausbau zum Witwensitz. Gleichzeitig diente nun die Kirche wiederholt als Grablege für die Schlossherren und ihre Familien. Alle Baumaßnahmen an Schloss und Kirche werden durch den Baumeister Johann Reuss aus Södel geleitet.

1738 erfolgt ein Maßnahme zur Wiederherstellung der Bausubstanz. An den vorhandenen gotischen Fenstern schlug man einfach das Maßwerk ab, weil man sich dadurch mehr Licht im Kircheninneren erhoffte. Die Gemeinde kauft 1751 in Langen sogenannte Gilbertsteine für das Kirchendach.

Im Jahr 1824 werden Umbauarbeiten im nördlichen Bereich des Daches durchgeführt. Erhebliche Veränderungen gab es auch im Inneren.

Die beim Bericht über den baulichen Zustand von 1868 festgestellten Schäden führen sogar zum Wunsch eines Neubaus, der aber aufgrund der ärmlichen Verhältnisse der meisten Ortsbürger abgelehnt wird.

Der Kirchturm

Der Westturm wurde 1616/16 erbaut. Erdgeschoss, 1. Turmgeschoss, 1. Fachwerkgeschoss und Oktogon. Er enthält noch immer ein romanisches Kreisfenster, vielleicht Teil eines romanischen Vorgängerbaues. Wie ein Steinmetzzeichen, ein ineinander verschlungenes w links die Initialen C.R. und darunter die paarweise angeordneten Zahlen 1616 mit dem oben angeordneten Namen Johannes Reuss in der Vierung über der Turmtür ausweisen, ist auch dieser Turm von Johannes Reuss erstellt worden, ebenso wie der größte Teil des Schlosses. Der Turm war ursprünglich axial angeordnet, aber durch die danach erfolgende Kirchenschifferweiterung heute rechts bündig an der Außenwand des Kirchenschiffes.

1922 wurde nach Plänen von Prof. Walbes ein Ehrenmal aus Odenwälder Granit errichtet.

Bemerkenswert ist ein mittelalterliches Scheibenkreuz aus Sandstein aus dem 14. Oder 15. Jahrhundert, das in etwa 3,5 m Höhe eingemauert ist an der Westseite des Kirchturmes. Der Scheibendurchmesser beträgt 14,55 cm, ansonsten ist aber der Stein erheblich beschädigt. Eine genauere Bestimmung ist nicht möglich, da er seine Rückseite nicht freigibt. Der Stein ist insgesamt wesentlich kleiner als anderen bekannten europäischen Scheibenkreuze.

Text: Eugen Rieß

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